Abstract

Walter Benjamin und Theodor W. Adorno sind für ihre kritischen Mythosbegriffe bekannt: Für sie bedeutet Mythos Naturzwang, blindes Schicksal und ewige Wiederkehr. Doch gerade im Exil und in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus beginnen beide Denker, das Thema neu zu beleuchten. Adorno entdeckt in den mythischen Schichten der Odyssee Bilder des Glücks, das der Rationalität geopfert wird, und Benjamin wertet zumindest einen Hauptbegriff seiner Mythoskritik um: die „Zweideutigkeit“, die im Passagen-Exposé zentral zurückzuerobernde frühere Hoffnungen kennzeichnet. Der Beitrag rekonstruiert diese Umwertungen sowie einen Hauptunterschied zwischen Benjamin und Adorno: Während der letztere mythische Mehrdeutigkeit in einem irreversiblen Zeitverlauf auflöst, richtet ersterer seine „Dialektik im Stillstand“ auf politische Handlungsmöglichkeiten aus. Das in der Analyse Unentschiedene muss praktisch geklärt werden. Beide verbindet eine Arbeit am Mythos, die an die Stelle völkischer Einheitserzählungen offene Hybride von Rationalität und ihrem Anderen setzt.

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