Abstract
Das mit dem Schlagwort Digitaler Taylorismus verknüpfte Szenario einer digital gestützten Intensivierung tayloristischer Prinzipien werde gerne am Beispiel der Verteilzentren von Amazon illustriert. Die vorliegende Fallstudie bei einem deutschen Amazon-Konkurrenten verdeutliche jedoch, dass die dortige Intensivierung tayloristischer Prinzipien sich maßgeblich der Radikalisierung eines vor zwei Jahrzehnten etablierten, vom Lean Paradigma geprägten Rationalisierungskonzepts verdanke, das auch den aktuellen Transformationsprozess strukturiere. Die Analyse dieser Tiefenstrukturen des gegenwärtigen Wandels erleichtere das Verständnis von aktuellen Strategien der betrieblichen Akteure bei der Aushandlung der konkreten arbeitspolitischen Implikationen und lege Inkohärenzen und gegenläufige Dynamiken offen. Denn die Radikalisierung des Rationalisierungskonzepts überlaste auch die zugehörigen arbeitspolitischen Kompromisse. Mit Rekurs auf den Machtressourcenansatz lasse sich zeigen, wie insbesondere die stärkere Aktivierung institutioneller Ressourcen durch den Betriebsrat in Verbindung mit der strukturellen Macht von Beschäftigten durch erhöhten Arbeitskräftemangel helfe, die despotische Variante des digitalen Taylorismus à la Amazon zu vermeiden und eine partielle Verbesserung der Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Solche Dynamiken blieben bei einer Fokussierung auf die vermeintliche Kohärenz von Rationalisierungsstrategien der digitalen Avantgarde zu sehr im Dunkeln.
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