Abstract
Die Studie gibt zunächst einen Überblick über die Forschung zu Vertrauen in Medien,
die üblicherweise unter dem Namen Medienglaubwürdigkeit firmiert und damit das
Vertrauensproblem auf den Aspekt der faktengetreuen Wiedergabe von gesellschaftli-
cher Realität reduziert. Die anschließende Diskussion der Forschung läuft auf eine zent-
rale Kritik hinaus: den Mangel an einer theoretischen Konzeptorientierung. Auf Grund
dessen bleiben die Vorstellungen von „Medienglaubwürdigkeit“ zu unspezifisch und
unterscheiden sich kaum von allgemeinen Prinzipien der Kommunikation. Die For-
schung vernachlässigt vor allem die spezifische Selektionsweise des Journalismus und
damit dessen gesellschaftliche Funktion, auf die sich die Vertrauens- und Glaubwürdig-
keitserwartungen der journalistischen Publika richten. Auf der Grundlage dieser Kritik
werden im Anschluss vertrauens- und journalismustheoretische Überlegungen vorge-
stellt und eine Theorie von „Vertrauen in Medien“ entwickelt.
Vertrauenshandlungen gewinnen ihre Bedeutung in Entscheidungssituationen, in denen
zukünftige Ungewissheit als Risiko wahrgenommen wird, aber gleichzeitig zu wenig
Wissen für eine begründete Entscheidung zur Verfügung steht. Die Erklärung von Ver-
trauen tut so, als sei eine bestimmte Zukunft schon Gegenwart und befähigt dadurch
zum Handeln. In einer Vertrauenshandlung legitimiert ein sozialer Akteur die von ihm
als riskant wahrgenomme Übertragung von Handlungsverantwortung auf andere soziale
Akteure. Diese Legitimation nimmt er nicht mit Hilfe rationalen Wissens und rationaler
Begründungen vor, sondern auf der Basis von symbolischen Ersatzindikatoren für die-
ses Wissen. Dabei lassen sich allgemeine, strukturelle und spezifische Vertrauenswür-
digkeit unterscheiden.
Die gesellschaftliche Funktion des Journalismus besteht in der Orientierung der Gesell-
schaft über ihre wechselseitigen Abhängigkeits- und Beeinflussungsverhältnisse: Jour-
nalismus thematisiert solche Ereignisse, die über ihren Entstehungsbereich hinaus Be-
deutung für andere gesellschaftliche Handlungsbereiche aufweisen könnten. Es können
vier Typen von Vertrauen in Journalismus unterschieden werden: Vertrauen in Themen-
selektivität, Vertrauen in Faktenselektivität, Vertrauen in die Richtigkeit von Beschrei-
bungen (Glaubwürdigkeit) und Vertrauen in explizite Bewertungen. Es ist vor allem der
Journalismus, der wesentlich das Vertrauen (und Misstrauen) in andere Akteure orien-
tiert – und es beobachten bzw. kontrollieren hilft: Gesellschaftliche Vertrauensstruktu-
ren können anders nicht (mehr) ausgebildet werden. Zugleich wird es aber wiederum
zum Risiko, hierin dem Journalismus zu vertrauen. Diese beiden Aspekte von Vertrauen
durch und Vertrauen in Journalismus sind unlösbar miteinander verknüpft.
Da kein sozialer Akteur in mehreren Handlungsbereichen zugleich über genügend Ent-
scheidungswissen verfügen kann, ist die Akzeptanz von Technologien zum größten Teil
auf Vertrauen in Technologie-Akteure zurückzuführen. Diese Vertrauensproblematik wird mit der Strategie der Wissenspopularisierung, die im traditionellen Defizit-Modell
des „public understanding of science“ vertreten wird, vollkommen verkannt: Sofern es
um Vertrauenssituationen geht, ist die Formel „Vertrauen durch Wissen“ unangebracht.
Will man die Diskussion über Technologien in der modernen Gesellschaft analysieren,
muss die erkenntnisleitende Frage statt dessen lauten, wie Vertrauen statt Wissen ent-
steht.
Informationen über Technologien werden primär durch die journalistische Berichterstat-
tung vermittelt, der dadurch eine wichtige Rolle für die Beobachtung des Verhältnisses
von Technologie und Gesellschaft zukommt. Dies betrifft zum einen die Wahrnehmung
von Risiken und damit von Vertrauensproblemen, zum anderen betrifft es die Vermitt-
lung von (symbolischen) Informationen, die für die Ausbildung von Vertrauen bzw. von
Misstrauen verwendet werden können. Aus diesen Überlegungen werden abschließend
Konsequenzen für die Forschung zu „Vertrauen in Technologie“ abgeleitet.
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